Sich zeigen, das bedeutet, dass wir möglichst ehrlich mitteilen, wie die eigene Sicht ist, ohne die Erwartung, dass andere diese teilen sollten.
Erinnerst Du Dich noch daran, wie es sich anfühlte, als Dir jemand Unbekanntes auf eine Art Aufmerksamkeit schenkte, die Dir sofort angenehm war, Du jedoch nicht recht wusstest, wie Du darauf reagieren solltest und nur die üblichen gesellschaftlich akzeptierten Standardreaktionen zur Antwort parat hattest wie etwa: “das eben geschehene herunterspielen”, “sich höflich entschuldigen”, “sich nichts anmerken lassen”, “sich eiligst aus der Situation entfernen” und Du Dir bei all dem unzureichend vorkamst?
Ja?
Sich zu zeigen mit all seinen Besonderheiten, Verletzlichkeiten, Unperfektsein-Eigenheiten klingt so einfach und scheint in der Jetzt-Zeit 2023 das Schwerste überhaupt zu sein. Trend & Lifestyle Magazine bringen dieses Thema immer wieder in ihren Ausgaben. Die Psychologie beschäftigt sich ohnehin damit, wie der Mensch sich selbst optimieren kann, demgegenüber steht das authentische Leben und der erfüllte Alltag, wenn “wir nur genau diese Regeln befolgen, die dort abgedruckt stehen” so enden meist die Intros der Artikel verheißungsvoll. Dass die ganze Geschichte aber viel einfacher, naher und direkter ist, scheint zunehmend in Vergessenheit zu geraten.
Eine Erinnerung:
Ich bin mir darüber bewusst, das ich Gefühle habe und auch, dass diese Gefühle mein Verhalten beeinflussen. Alles was ich an einem Tag erlebe, sehe, höre, schmecke und rieche erfolgt nicht einfach nur als solche Information und bleibt für sich, Nein, vielmehr werden Informationen, Begebenheiten, Erfahrungen und Wissen mit allem bisher Bekannten und neu Erlebten verknüpft, sofern es dazu passt. Wir sind es so gewohnt, denn das sind überwiegend automatisierte Abläufe.
Ich habe also alles zur Hand, metaphorisch gesprochen, was ich benötige, um mich als Mensch ganzheitlich zu zeigen. Da ist mein Verstand mit meinen Gedanken, die in alle Richtungen gehen und auch aus verschiedenen Richtungen kommen. Sie bilden die Grundlage über Sachverhalte oder Schwierigkeiten passend nachzudenken und dann das “passende” in Worten auszudrücken. Des Weiteren habe ich meine Gefühle und Empfindungen, die mir zu jeder Zeit signalisieren, wie sich etwas oder jemand für mein Erleben anfühlt, ob etwas gut tut, sicher ist, lustig ist oder eher undurchsichtig oder gar gefährlich werden könnte. Darauf kann ich mich verlassen und aufgrund dessen, andere Menschen darüber in Kenntnis setzen. Als drittes habe ich den ganzen Körper als Resonanzboden, mit dem ich Menschen Gruppen, feinstoffliche Energien, thermischen Druck, bio-chemische Schwankungen, Irritationen und anderes mehr spüren kann. Ich bin also soetwas wie ein Informations-Sammel-und-Auswertungs-Lebewesen, wie jeder andere Mensch auch.
Erstaunlich ist jetzt aber die viel erlebte Tatsache in meiner Alltags-Realität und vielleicht auch in Deiner, dass andere Menschen sich gar nicht mehr offen und ehrlich begegnen können, manche wollen es vielleicht auch absichtlich nicht – obwohl wir Menschen doch allesamt Informationssammler und Auswerter sind und durch den gegenseitigen Austausch diese Speicher immerzu aktuell halten könnten, auf eine gute Weise, versteht sich.
Misstrauen und Irritation entstehen, Hintergedanken und Fallen werden vermutet, wenn jemand einfach nur ohne ersichtlichen Grund nett, aufmerksam und wertschätzend ist. Jemand wird als “Besonders” im negativen Sinn etikettiert, der einfach ganz unbedarft agiert, aus der Freude über sich und das Zusammentreffen mit anderen. Wie kann es denn nur dazu kommen? Und weiter, wieso ist es nicht gleichsam als eine Einladung zu verstehen, dem Natürlichen, Naiven, Unverfälschten oder Unschuldigen in uns selbst in diesem Moment freie Hand zu geben, um mitzumachen? Stattdessen halten “wir” uns lieber zurück oder übernehmen das Etikett von “der Seltsame”.
Eine Gesellschaft, in der das persönliche Empfinden, oder das eigene Berührtsein im negativen wie im positiven so sehr in den Hintergrund rückt und “man” nur noch dazu übergeht, Aussagen anderer wiederzukäuen oder herunterzuleiern wird sich immer mehr von der individuellen Empfindungs-Äußerung als natürliche Informations- und Austauschquelle verabschieden und sie fortan als nicht mehr normal verstehen.
Schon jetzt bemerke ich häufig die vielfache Irritation in den Gesichtern der anderen – aber auch das Glück und die Freude in ihnen, wenn sie begreifen, dass es nur ein ganz natürliches “sich mitteilen”, “sich zeigen” von mir ist, keinerlei Hintergedanken, keine Falle, kein Verurteilen.
Ich habe Freude daran, mein Gesicht zu bemalen, Blumengirlanden, Muster, Sterne… einfach alles was mir am Herzen liegt und was ich der Welt mitteilen will. Ich freue mich darüber, Schönes in der Natur zu sehen, ich klatsche vor Freude in die Hände, ich lache laut, es kommt ganz automatisch es braucht nicht mal immer einen Grund dazu. Genauso wie ich dicke Tränen weine, wenn ich mich fürchte, wenn mich etwas erschreckt, ganz egal ob ich dann im Cafe bin oder beim Einkaufen. Es ist immer Jetzt! Ich sehe andere Menschen gern, ich lächele, es findet ein Austausch statt. Manchmal, da darf ich jemandem feinstofflich ganz nah kommen und ich erfasse seinen Kern, den Funken seines Wesens und das ist wahrlich feierlich. Dann bin ich von dieser Schönheit derart gerührt und berührt, dass ich weine, weil ich voller Dankbarkeit bin, diesen Moment mit und durch diesen anderen Menschen zu erleben. Ich muss ihn noch nicht einmal persönlich kennen, weder seinen Berufsstatus noch seine Vorlieben oder Abneigungen. Es ist der natürliche Wesenskern des anderen, der mich so sehr begeistert.
Wie kann es sein, dass sich diese Art des feinstofflichen oder des tatsächlichen Berührens und Berührt- werdens nicht erhalten konnte, wieso hat sich “Furcht vor Verurteilung oder Verletzung” an diese Stelle gesetzt, wieso wurde zugelassen, dass sich die natürlichste Art des kommunizierens nur noch unter ganz vertrauten Menschen abspielt, wenn überhaupt? Warum wurde zugelassen dass damit auch Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein immer mehr abnehmen? Und warum ist es jetzt etwas so ungewohntes, wenn sich jemand tatsächlich mit allem was er hat und was ihn als Lebenwesen ausmacht, zeigt.
Erinnerst Du Dich noch an den Moment, als Dir jemand offen und unschuldig in die Augen gesehen hat und Du Dich in Deinem Gegenüber erkanntest und er sich in Dir – und welches unbeschreibliche Glück Dich daraufhin von Kopf bis Fuß erfüllt hat, welches Du kaum in Worte fassen konntest?
Ja?
Ich mich auch!
Sich zeigen, sich bekannt machen, andere wissen lassen was man empfindet, all das ist in gewisser Weise Nahrung der Verbundenheit. Wir sollten uns nicht gegenseitig verhungern lassen.
Zeig Dich wie Du bist, es lohnt sich!